Zulassungspanne: Bewerber haben Recht auf Medizinstudienplatz
Wegen eines internen Übermittlungsfehlers hatte die Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt am Main über die festgesetzte Zahl von 381 Studienplätzen für das Fach Humanmedizin zum Wintersemester 2022/2023 weitere 251 Bewerber zugelassen. Nachdem dies bemerkt worden war, nahm die Universität einen Tag später die überzähligen Zulassung zurück und ordnete die sofortige Vollziehung dieser Bescheide an ( zm berichtete ).
Die zu viel zugelassenen Studienanfänger teilte man anschließend in zwei Gruppen: in der einen hatten die Studienanfänger bereits Zusagen für einen Studiengang, die allerdings mit der Zusage der Goethe-Universität wegfielen; in der anderen konnten sie im Nachrückverfahren den begehrten Studienplatz erhalten – 39 Bewerber dieser Gruppe wurden am Ende doch noch zum Medizinstudium in Frankfurt zugelassen.
Bewerber haben Rechtsanspruch auf Zulassung zum Medizinstudium
Sechs Studienanfänger aus der ersten Gruppe reichten dagegen Klage ein: Sie hatten einen Studienplatz erhalten, allerdings nicht für Humanmedizin, sondern in den Studiengängen Zahnmedizin, Pharmaceutical Sciences oder Biowissenschaften. Ihrer Auffassung sind die ihnen gegenüber ergangenen Rücknahmebescheide rechtswidrig. Das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main gab ihnen recht: Die Bewerber haben demnach „im Rahmen der im Eilverfahren gebotenen Überprüfung wohl einen Anspruch auf die Zulassung zum Studium der Humanmedizin in Frankfurt/M.”.
Den Richtern zufolge könnten die Bescheide rechtswidrig sein, weil die Johann Wolfgang Goethe-Universität bereits zu Beginn des Wintersemesters im ersten Fachsemester des Studiengangs Humanmedizin 405 Studierende zugelassen hat. Nach Überzeugung des Gerichts liegt diese deutliche Überschreitung der Zulassungszahlen darin begründet, dass die Universität 39 Bewerber aus der Chancengruppe über die festgesetzten Zulassungszahlen hinaus immatrikuliert hat.
Gericht hält 10 Prozent Überbelegung für Verkraftbar
Diese klare Überschreitung zeige deutlich, dass mit der Erschöpfung der festgesetzten Kapazität von zunächst 381 Plätzen wohl die Leistungs- und Funktionsfähigkeit der Hochschule in diesem Studiengang noch nicht erreicht war. Von der Antragsgegnerin sei zu erwarten, dass die Hochschule im Rahmen einer Ermessensprüfung lediglich die entsprechende Zahl von Studienplätzen zurücknimmt, die tatsächlich zu einer Erschöpfung der festgesetzten Kapazitäten und somit zu einer Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit führen könne. Jedenfalls sei eine Rücknahme aller Zulassungsbescheide rechtswidrig.
Das Gericht ist bei der Bestimmung der Grenze, ab wann die Funktionsfähigkeit des Studiengangs Humanmedizin an der Johann Wolfgang Goethe-Universität ernstlich gefährdet wäre, von einem Wert von 10 Prozent bezogen auf die Zulassungszahl ausgegangen.
Das Argument: Überbuchung 2013/2014 war auch verkraftbar
Zur Begründung führt es aus, dass der festgesetzte Wert der Zulassungszahl durch die 405 immatrikulierten Studierenden im Fachbereich Medizin im 1. Semester bereits um 6,30 Prozent überschritten wurde. Weiterhin weist es darauf hin, dass bereits im Wintersemester 2013/2014 erheblich gravierendere Folgen eines Überbuchungsfehlers hervorgetreten seien, die die Antragsgegnerin offensichtlich bewältigen konnte. Ausgehend von einem 10-prozentigen Aufschlag auf die Zulassungszahl von 381 Studienplätzen könne die Johann-Wolfgang-Goethe-Universität insoweit die Immatrikulation von 419 Studierenden verkraften.
Da derzeit lediglich 403 Studierende in dem Studiengang eingeschrieben seien (405 abzüglich zwei beurlaubte Studierende), stünden für die hier um Eilrechtsschutz nachsuchenden sechs Antragsteller ausreichende Studienplätze zur Verfügung, argumentiert das Gericht. Aus diesem Grund wurde die aufschiebende Wirkung des eingelegten Widerspruchs gegen die Rücknahmebescheide angeordnet.
Gegen den Beschluss kann innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung Beschwerde beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof in Kassel eingelegt werden.
Verwaltungsgericht Frankfurt am MainAz.: 3 L 2316/22.FM.W22Beschluss vom 16. November 2022