Es gibt eine Menge Möglichkeiten
Unter dem Motto „Gesund beginnt im Mund – für alle!“ widmet sich der Tag der Zahngesundheit in diesem Jahr vulnerablen Bevölkerungsgruppen. Dazu gehören armutsgefährdete Menschen. Laut Statistischem Bundesamt traf das in Deutschland im Jahr 2021 auf knapp 17 Prozent der Bevölkerung zu, vor allem auf Menschen mit niedrigem Bildungsstand, Alleinerziehende, Familien mit drei oder mehr Kindern und Alleinstehende. Rund 178.000 Menschen waren Anfang 2022 wegen Wohnungslosigkeit in Notunterkünften untergebracht, die Dunkelziffer dürfte viel höher sein. Zudem zeigen viele Untersuchungen, dass die Mundgesundheit der aktuell fünf Millionen Menschen mit Pflegebedarf und der über 345.000 Menschen mit Lern- oder geistiger Behinderung im Durchschnitt deutlich schlechter ist als bei der restlichen Bevölkerung.
Die Zahnärztinnen Dr. Kerstin Aurin und Dr. Angela Grundmann gehören zu den vielen Zahnärztinnen, Zahnärzten und ZFA, die sich für mehr Mundgesundheit stark machen. Sie berichten über sinnvolle erste Schritte in Richtung Engagement und wie es sich auf Dauer gut organisieren lässt.
1.000 Zahnputz-Sets für den guten Zweck
Der Verein für Zahnhygiene in Darmstadt spendet zum diesjährigen Tag der Zahngesundheit 1.000 Sets mit Zahnpflegeprodukten. Jedes Gratispaket enthält Zahnbürsten, fluoridhaltige Zahnpasta, Zahnseide, Zahnputzbecher sowie Aufklärungs- und Anleitungsmaterialien für jeweils 20 Personen. Abrufen können die Sets öffentliche Einrichtungen und soziale Projekte wie die Tafeln in Deutschland oder Einrichtungen für Kinder, Jugendliche und Waisen. Auch Zahnärztinnen und Zahnärzte, die sich für ein ehrenamtliches Projekt engagieren, können sich melden und das Material bestellen.
Weitere Infos: zahnhygiene.de
Zahnputzfuchs e.V.
Für Kerstin Aurin war ihre Tätigkeit an einem Krankenhaus ausschlaggebend, den Zahnputzfuchs zu gründen. Ein zentrales Projekt des Vereins, das auf den Begegnungen mit den Kindern in der Klinik basiert, ist die „Zahnputzperle“. Es hat sich mittlerweile an vielen Kliniken im gesamten Bundesgebiet etabliert. Die Zahnputzperlen sollen Kinder, die eine Chemo- und Strahlentherapie absolvieren, zum gründlichen Zähneputzen motivieren. In dieser Zeit ist gute Mundhygiene besonders wichtig, da die Kinder hohe verhaltens- und ernährungsbedingte Risiken aufweisen und sich die Therapien negativ auf die Mundgesundheit auswirken können – was die Mundhygiene zusätzlich erschwert. „Die Kids bekommen eine Stempelkarte, die sie nach jedem Zähneputzen ausfüllen dürfen. Sind alle Stempelfenster besetzt, erhalten sie eine handgefertigte Perle in Form eines Zahns. Die Perlen werden in Schulen im Rahmen eines Kunstprojekts gebastelt“, erklärt Zahnputzfuchs-Vorsitzende Aurin. „Krankenhausmitarbeitende können sich an uns wenden und bekommen dann das Material zugeschickt.“
Auch für Kinder aus sozioökonomisch schwierigen Verhältnissen engagiert sich der Zahnputzfuchs und setzt dabei auf die Vernetzung mit anderen Initiativen. „Für uns funktioniert es sehr gut, bestehende Strukturen zu nutzen. Unsere Erfahrung zeigt, dass Organisationen wie Jugendeinrichtungen, Vereine oder Träger von Ferienfreizeiten sich freuen, das Thema Zahngesundheit mit unserer Hilfe zu besetzen“, berichtet Aurin. „Kolleginnen und Kollegen, die sich ehrenamtlich für Kinder und Jugendliche engagieren möchten, kann ich deshalb nur raten: Sprechen Sie Organisationen, Kliniken oder Kinderärzte in Ihrer Umgebung an. Viele sind sehr offen, gesundheitsfördernde Programme in ihre Angebote zu integrieren.“
Über diesen Weg ist der Zahnputzfuchs fester Partner eines Mehrgenerationenhauses in Heidelberg geworden, das jeden Monat die Veranstaltung „Kinderhotel“ organisiert. Hier können Kinder aus sozioökonomisch schwachen Familien einen Tag verbringen und anschließend auch übernachten. Der Zahnputzfuchs beteiligt sich mit spielerischen Aktionen an dem Angebot, um die Kinder für ihre Zahngesundheit zu sensibilisieren.
Mehr Infos: zahnputzfuchs.de
Patin für ein Pflegeheim
Seit 2020 ist Dr. Angela Grundmann Patenzahnärztin für die 40 bis 45 Bewohnerinnen und Bewohner eines Pflegeheims in der Nähe von Löbau in der sächsischen Oberlausitz. „Mir war es wichtig, den Menschen auch im hohen Alter eine gute Zahngesundheit zu ermöglichen“, bringt sie ihre Motivation auf den Punkt. Einen Kooperationsvertrag mit der Senioreneinrichtung abzuschließen, war für Grundmann daher nicht nur ein geschäftlicher Vorgang, sondern auch eine Herzensangelegenheit.
Einen solchen Einsatz auf eine vertragliche Basis zu stellen, ist für die Zahnärztin absolut ratsam. „Dadurch ist zum einen der rechtliche Rahmen klar gesetzt. Das heißt zum Beispiel, dass die Heimleitung die Erlaubnis der Bewohnerinnen und Bewohner oder ihrer Angehörigen einholen muss, dass ich sie behandeln darf“, erklärt sie. „Außerdem ist das Heim dadurch vertraglich verpflichtet, mir Zugang zu gewähren. Damit hatte ich allerdings noch nie Probleme. Ich bin mit meinem Kooperationsangebot auf offene Arme gestoßen.“
Grundmann rät Kolleginnen und Kollegen, die über eine Patenschaft mit einer Pflegeeinrichtung nachdenken, außerdem dazu: „Sprechen Sie als Erstes mit Ihren Angestellten in der Praxis. Die müssen mitziehen.“ Das gelte auch für das Pflegepersonal. „Ich habe gleich zu Beginn die Fachkräfte im Pflegeheim geschult, auf welche Dinge sie im zahnmedizinischen Bereich achten sollen. Da gab es kaum Vorwissen“, berichtet sie.
„Wie reinigt man Zähne und Prothesen? Woran erkenne ich Entzündungen? Welche Hilfestellung kann ich den Bewohnerinnen und Bewohnern bei der Zahnpflege geben? Das waren Themen, auf die ich unter anderem eingegangen bin.“ Inzwischen macht sie nur einmal im Jahr eine kurze Auffrischungsschulung mit dem Team im Heim. Ihre Empfehlung: Schulungen für das Pflegepersonal lassen sich besonders anschaulich gestalten, wenn man einen Phantomkopf und Demo-Modelle mitbringt. Diese leiht sie sich vor den Terminen bei ihrer Kammer aus.
Den Organisationsaufwand für ihre Patenschaft bezeichnet die Praxisinhaberin als überschaubar: Sie besucht das Pflegeheim zwei Mal pro Jahr oder wenn sie vom Pflegepersonal wegen eines akuten Problems kontaktiert wird. Zu den Terminen bringt sie ihr zahnärztliches Besteck und ein „ordentliches Licht“ mit. Vor Ort geht sie für ein Screening durch alle Zimmer, entfernt bei Bedarf Zahnstein und macht kleinere Füllungen. Für Patientinnen und Patienten, bei denen sie größeren Behandlungsbedarf feststellt, werden in Absprache mit dem Heim Termine in ihrer Praxis vereinbart. Um den Fahrdienst kümmert sich die Einrichtung. Die Abrechnung für Besuchsgebühren und mögliche Zuschläge erfolgt im Rahmen eines Kooperationsvertrags gemäß § 119b SGB V und ist im BEMA verankert.
„Die aufsuchende Betreuung ist wichtig, da mit dem Einzug ins Pflegeheim die weitere zahnärztliche Betreuung in der Regel fast völlig vergessen wird und wir erst bei Schmerzen oder anderen Problemen gerufen werden“, sagt Grundmann. An Kolleginnen und Kollegen hat die Zahnärztin in diesem Zusammenhang einen Appell: „Bei der Versorgung Älterer mit Zahnersatz ist es wichtig, vorausschauend zu planen, also auch einen möglichen Pflegebedarf mitzudenken. Das heißt: Die Patientinnen und Patienten müssen auch im hohen Alter ihre Versorgung handhaben können beziehungsweise das Pflegepersonal damit nicht überfordert werden. Einfachere Lösungen sind aus meiner Erfahrung deshalb oft die besseren.“