Studie zur zahnmedizinischen Forensik

Wie die Zahnmedizin Tote identifiziert

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DNA, Fingerabdrücke und Zähne sind die primären Merkmale, mit denen unbekannte Tote identifiziert werden. Welche Rolle dabei die Zahnmedizin spielt, hat jetzt eine Mainzer Arbeitsgruppe untersucht.

Die Entscheidung, welche Verfahren zur Identifizierung unbekannter Toter eingesetzt werden, liegt in Deutschland in der Zuständigkeit der Polizei. Eine Arbeitsgruppe um Dr. Monika Bjelopavlovic, Oberärztin an der Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik und Werkstoffkunde der Universitätsmedizin Mainz und Vorstand im Arbeitskreis Forensische Zahnmedizin, hat nun mit einer Fragebogen-gestützten Studie untersucht, wie häufig zahnmedizinische Methoden in der polizeilichen Ermittlungsarbeit zum Einsatz kommen.

Befragt werden sollten in allen Bundesländern für Funde unbekannter Toter zuständige Polizeibeamte zu den Identifizierungsmethoden und speziell zur Anwendung der forensischen Zahnmedizin. Der Fragebogen enthielt 23 Fragen, 85 Beamte aus zwölf Bundesländern beteiligten sich an der Umfrage, 62 haben den gesamten Fragebogen ausgefüllt und wurden in die Auswertung einbezogen.

Ergebnisse: In 72,6 Prozent der Fälle werden bei der Identifizierung verschiedene Merkmale kombiniert, am häufigsten DNA mit Zahnstatus (37,1 Prozent). Die DNA-Analyse wird am häufigsten verwendet. Laut 62,9 Prozent der Befragten wird die zahnärztliche Identifizierung „oft“ angewendet. Der Anteil der Identifizierung allein mittels Zahnstatus wird auf 1,6 bis 8,1 Prozent geschätzt. Für die forensische Zahnmedizin haben 19,4 Prozent eine feste Ansprechperson. Eine digitale Plattform, um Zahnmediziner zu kontaktieren, schätzten 56,5 Prozent als hilfreich ein.

Als Methoden der zahnmedizinischen Forensik kommen überwiegend der Vergleich des Post-mortem- mit dem Ante-mortem-Zahnstatus mithilfe des Dental Profiling (Untersuchungen der Zähne, Knochenstruktur, Mundhöhle, Weichteile, um ein Profil zu erstellen, Röntgenbilder, Zahnstatus) und die DNA-Gewinnung aus einem Zahn zum Zweck der nachfolgenden DNA-Analyse zum Einsatz. Selten genutzt werden die Altersdiagnostik, die odontometrische Geschlechtsbestimmung und das Auslesen von Medizinprodukten (Implantat-ID).

Die zahnmedizinische Forensik bietet eindeutige Identifikation

Den Vorteil der zahnmedizinischen Forensik sehen die Polizisten darin, dass damit „eine eindeutige Identifikation möglich ist (Post-mortem-Zahnstatus entspricht Ante-mortem-Zahnstatus)“. Dabei stößt jedoch die Beschaffung der Ante-mortem-Daten offensichtlich auf Hindernisse: Befragte gaben hier an, das Anfordern der Daten sei aufwendig und man sei auf die Mithilfe externer Institutionen angewiesen.

Knapp 70 Prozent der befragten Dienststellen hatten keinen ständigen zahnärztlichen Ansprechpartner, nur 19,4 Prozent verfügten über einen festen Kontakt zu Zahnmedizinern. Um die Kontaktaufnahme mit Zahnmedizinern zu erleichtern, wäre die Einrichtung einer digitalen Plattform nach Ansicht der Mehrheit der Befragten (56,5 Prozent) „sehr hilfreich“.

Zusammenarbeit mit Zahnärzten

In der Zusammenarbeit mit den Zahnmedizinern gibt es grundsätzlich zwei Kontaktpunkte für die Polizeikräfte: die postmortale Befundung am Leichnam und die Akquise antemortaler Daten von Zahnärzten in der Niederlassung oder in Universitäten, die den Toten zu Lebzeiten behandelt haben. Die Ergebnisse zeigen, dass die Beamte bei Anfragen zu antemortalen Daten oft keine Antwort erhielten: Nur 40,3 Prozent kreuzten „immer“ an. „Bei einer polizeilich geforderten Rückmeldung scheint das ungewöhnlich“, urteilen die Autoren.

Die Befragten gaben mit 61,3 Prozent am häufigsten an, dass eine Antwort aus ihrer Sicht von „gut geführten Patientenakten mit vollständigem Zahnstatus (ante-mortem)“ abhängig ist. Die zweithäufigste Antwort mit 56,5 Prozent lautete: „eindeutiger Zahnstatus post-mortem". Die logisch erscheinende saisonale Abhängigkeit der Antworten von Sommer- und Urlaubszeiten wurde hingegen nur von 6,5 Prozent der Befragten angekreuzt. Dieses Phänomen konnte sowohl beim Einsatz in der Ahrtalkatastrophe zu Beginn der Ferienzeit als auch bei den Anschlägen auf dem Breitscheidplatz zur Weihnachtszeit beobachtet werden, da eine teilweise erschwerte Erreichbarkeit der Zahnärzte mitunter urlaubsbedingt war.

Zusätzlich wurde die Modernität der Praxen von 27,4 Prozent der Befragten als Faktor für Rückmeldungen angekreuzt. Eine moderne Ausstattung der Zahnarztpraxis ermöglicht eine schnelle und effiziente Abrufbarkeit von Daten, wie zum Beispiel von Röntgenbildern, was im Rahmen von Massenkatastrophen mit Zeitersparnis im Identifizierungsprozess einhergehen würde.

Aktuell wird die DNA-Analyse am häufigsten zur Identifizierung unbekannter Toter eingesetzt. Die Studienautoren weisen jedoch auf das zunehmende Potenzial der forensischen Zahnmedizin hin: Durch die Digitalisierung in den Zahnarztpraxen, etwa den zunehmenden Einsatz von Intraoralscannern, könnten Ante-mortem-Daten künftig zuverlässiger zur Verfügung stehen. Hilfreich für die polizeiliche Arbeit wäre die Einrichtung einer digitalen Plattform für die Kommunikation mit der Zahnmedizin.

Im Ergebnis kommen die Autoren zu dem Schluss, dass die Studie die Vielfältigkeit der Herangehensweise der Länderpolizei bei der Identifizierung unbekannter Toter in den einzelnen Dienststellen aufgezeigt hat. Während bei allen Befragten grundlegendes Wissen über die Bedeutung des Zahnstatus als primärer Marker vorhanden war, offenbarten sich teilweise Lücken im detaillierten Verständnis der spezifischen Teilaspekte, die in Identifizierungsprozessen zum Tragen kommen können. Strukturierte bundesweite Fort- und Weiterbildungen für Polizeikräfte könnten den Autoren zufolge hier Abhilfe schaffen.

Oft fehlt ein zahnmedizinischer Ansprechpartner vor Ort

Dass auch nach erwiesenen Erfolgen in Großschadenslagen noch immer eine Tendenz zur kosten- und zeitintensiven DNA-Analyse in der Beauftragung besteht, scheint demnach häufig mit fehlenden zahnmedizinischen Ansprechpartnern vor Ort einherzugehen, sowie mit den Limitationen bei der Akquise antemortaler Daten. Die Datenakquise könnte aber mit der zunehmenden Digitalisierung in der zahnärztlichen Niederlassung und im universitären Umfeld zukünftig erleichtert werden, bilanzieren die Wissenschaftler.

Und Forschungsansätze im zahnmedizinischen Bereich zu weiteren individuellen Merkmalen in der Mundhöhle, zusätzliche Identifizierungsmethoden sowie KI-basiertes Matching könnten künftig zur Verbreitung und zum Erfolg der forensischen Zahnmedizin beitragen.

Die Kontaktaufnahme zu Zahnärzten zwecks Abgleich post mortem erfolgt laut den Befragten zu 25,8 Prozent (n = 16) über digitale Medien, zu 19,4 Prozent (n = 12) über Printmedien (Zeitschriften wie die Zahnärztlichen Mitteilungen ) und zu 11,3 Prozent (n = 7) über Fachkreise (wie den Arbeitskreis für forensische Odontostomatologie).

Studie:
Bjelopavlovic, M., Badt, F., Lehmann, KM et al.: Verwendung von forensischer Zahnmedizin zur Identitätsfeststellung. Eine Befragung auf Ebene der Länderpolizei. Bundesgesundheitsbl 66 , 1268–1276 (2023). doi.org/10.1007/s00103-023-03769-2

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