„Project Yeti“ im Kloster Kopan in Nepal

Auch kleine Mönche lieben Schoki und Kekse

Deborah Clement
,
Melissa Dirsch
Unter dem „Dach der Welt“, in einem nepalesischen Kloster, überraschte uns die hohe Compliance der großen wie der kleinen Patienten. Die formt sich vor allem aus der buddhistischen Philosophie der Mönche. Selbst eine schmerzhaftere Behandlung wirkte manchmal fast wie eine Meditation.

Majestätisch thront das tibetisch-buddhistische Kloster Kopan hoch über Kathmandu. Für uns war das auf Anhieb ein spektakulärer Ort. Er schien fast nicht von dieser Welt – so ruhig und friedlich, als existiere der stressige Alltag zu Hause nicht. Im vergangenen September durften wir, zwei Zahnärztinnen aus München, an einem ganz besonderen Projekt teilnehmen. Am Fuße der Alpen groß geworden, sehnten wir uns nach einem fernen Ort mit noch höheren Bergen und stießen auf das „Project Yeti“, das zwei Dentalkliniken in Nepal betreibt. Gegründet wurde es 2012 von dem australischen Zahnarzt Dr. Georgos Mannos, der selbst aus einer armen griechischen Einwandererfamilie stammt und benachteiligten Menschen etwas zurückzugeben wollte.

Die Anfänge des Projekts seien holprig gewesen, erzählt er: „Alles begann mit einem leeren Raum, der nur über einen Stromanschluss und eine tragbare Aseptico-Einheit mit wenigen Instrumenten und begrenzten Materialien verfügte. Stromausfälle waren an der Tagesordnung und eine Nonne ohne zahnärztliche Erfahrung assistierte uns.“ Zweimal pro Jahr, im Frühjahr und im Herbst, reisen seitdem internationale Teams aus Zahnärzten, Dentalhygienikern und Assistenten nach Nepal.

Heute ist die Klinik mit zwei stationären und zwei mobilen Behandlungseinheiten ausgestattet. Zusammen mit weiteren Zahnärzten aus Australien, Großbritannien und Tschechien behandelten wir vor allem die kleinen Mönche im Alter von zehn bis 16 Jahren. Sie stammen oft aus ärmlichen Verhältnissen und sind von ihren Eltern in der Hoffnung auf ein besseres Leben ins Kloster geschickt worden. Auch andere Mönche sowie Angestellte des Klosters und Nonnen, die nebenan wohnen, kamen als Patientinnen und Patienten zu uns.

Von der Alltagshektik in die absolute Kloster-Ruhe

Wir konnten uns über eine erstaunlich gute Ausstattung mit Verbrauchsmaterialien freuen, die alle im Laufe der Zeit durch Spenden zusammengetragen wurden. Uns standen digitale Röntgengeräte, Autoklaven, VDW-Endomotoren und vieles mehr zur Verfügung. Die Eingewöhnung an unseren neuen Arbeitsplatz bereitete uns viel Freude – forderte aber auch unser Improvisationstalent. So maßen wir unsere Endofeilen mit einem Schullineal und unsere Spüllösung kam als „Bleach“ aus der örtlichen Wäscherei.

Bemerkenswert war die Compliance der Patienten. Selbst bei unangenehmeren Eingriffen reagierten sie nicht einmal mit einem Wimpernzucken. Das liegt sicher auch an der buddhistischen Lebensweise. Die jungen Mönche meditieren einen Großteil des Tages, der bereits um 5:30 Uhr mit der Puja, dem wichtigsten religiösen Ritual, beginnt und spät abends endet. Auch Behandlungen wirkten manches Mal wie eine Meditationssitzung, so ruhig waren unsere spirituellen Patienten.

In der meditativen Ruhe liegt die Kraft

Am häufigsten sahen wir okklusale Fissurenkaries. Die Menschen hier erhalten grundsätzlich keine prophylaktische Fissurenversiegelung, konsumieren aber größtenteils Lebensmittel mit kurzkettigen Kohlenhydraten. Bis vor wenigen Jahrzehnten lebte das Land ausschließlich von der Landwirtschaft, es gab einfache Mahlzeiten, die den Feldarbeitern ausreichend Energie liefern sollten. Und noch heute gibt es morgens, mittags und abends Reis oder Weizen-haltige Speisen wie Brot, Teigtaschen („Momo“) oder Nudeln. Die Klosterküche blieb über die Zeit traditionell nepalesisch. Außerdem kaufen sich die kleinen Mönche von ihrem Taschengeld oft und gerne Kekse sowie Schokolade.

Einige ältere Mönche sprachen gut Englisch und halfen beim Übersetzen. Die kleinen Mönche nahmen wir als ruhig und zurückhaltend wahr, keiner hatte Angst vor dem Zahnarztbesuch. Im Gegenteil: Sie konnten es kaum erwarten, untersucht zu werden, und beobachteten uns und ihre Freunde gebannt durch das Fenster. Die älteren Mönche legten großen Wert darauf, uns in die täglichen Gespräche über die buddhistische Philosophie einzubeziehen, gaben uns einen Einführungskurs in den Buddhismus und zeigten uns die Klosteranlage. Die meisten leben seit ihrer Kindheit in einem Kloster, einige haben viele asiatische Länder bereist, in denen die tibetisch-buddhistische Tradition gepflegt wird. Es gab aber auch den einen oder anderen Mönch, der erst vor Kurzem konvertiert ist.

Insgesamt untersuchten wird in den zwei Wochen 374 Patienten, wir haben 216 Füllungen gelegt, 36 Zähne gezogen und 137 Zahnreinigungen durchgeführt, außerdem zahlreiche Röntgenaufnahmen und Mundhygieneinstruktionen. Zukünftig soll das Personal vor Ort zum Thema Mundgesundheit geschult werden, so dass sie die Kontrollen und Prophylaxemaßnahmen selbstständig durchführen können, bis ein neues Behandlungsteam eintrifft. Darüber hinaus sollen mit Spendengeldern zwei weitere Behandlungseinheiten im benachbarten Nonnenkloster eingerichtet und das bisherige Karteikartensystem digitalisiert werden.

Die Tage im Kloster vergingen wie im Flug und wir können sie als die glücklichsten unseres Lebens bezeichnen. Die Welt dort ist so außergewöhnlich und weit entfernt von allem, was wir kennen. Die Dankbarkeit der Menschen hat uns daran erinnert, warum wir diesen Beruf gewählt haben.

Wer mehr magische Eindrücke sehen oder etwas über unsere zukünftigen Projekte erfahren möchte, kann uns auf Instagram @catchingsmiles.ww folgen. Mehr Informationen über das Projekt Yeti gibt es unter www.projectyeti.org.

Dr. med. dent. Deborah Clement

Zahnärztin
AllDent

Dr. med. dent. Melissa Dirsch

Zahnärztin
AllDent

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