Sendepause bei DrSmile
Nach eigenen Angaben betreibt die Impress Group ein „Klinik-Netzwerk mit mehr als 110 Filialen“ in Italien, Spanien, Portugal, Frankreich, Großbritannien, den USA und der Ukraine. Mit dem Zukauf erweiterte sie ihr Geschäftsgebiet auf Deutschland, die Niederlande und Schweden. DrSmile firmiert immer noch unter eigenem Namen, das Logo wurde nur um den Zusatz „Powered by Impress“ erweitert. Ansonsten herrscht auf der deutschen Website des Anbieters unverändert Marketingsprech: Verkauft wird ein „neues Lächeln“, natürlich mit Rabatt – mehr als 150.000 angeblich „zufriedene Kund*innen“ und mehr als „130 unabhängige Zahnärzt*innen“ bürgen für Qualität.
Impress Group sammelt 260 Millionen Wagniskapital ein
Die Impress Group wurde 2019 von dem Kieferorthopäden Dr. Khaled Kasem und den Serienunternehmern Diliara und Vladimir Lupenko gegründet und hat ihren Hauptsitz in Barcelona, Spanien.
In den Folgejahren haben die Gründer von verschiedenen Wagniskapitalgebern und Private-Equity-Gesellschaften mehr als 260 Millionen Euro eingeworben – knapp die Hälfte davon im November 2024, also einen Monat nach dem Deal mit Straumann. Dadurch ist das Unternehmen nach eigenen Angaben zum führenden Anbieter von transparenten Zahnschienen in Europa aufgestiegen.
Auf der Website herrscht Funkstille
Eine Qualität, die DrSmile nach Ansicht von Kundin Marion Nehler (Name geändert) nicht mehr hat. Die Impress Group zeige „keinerlei Interesse an bestehenden Behandlungen“ lautet ihre Vermutung. „DrSmile ist über keine Kanäle erreichbar“, schreibt sie den zm. Anders sei dies lediglich über die Neukunden-Hotline, aber über die würden bestehende Patienten „abgewimmelt“. „Meine Behandlung ist Gott sei dank soweit abgeschlossen, aber ich benötige dringend Retainer. Aktuell habe ich nur die letzte Schiene und die kann ich leider nicht ewig tragen. Ich hoffe noch irgendeinen Kontakt herstellen zu können, bevor sich die Schiene lockert und die Zähne sich wieder verschieben.“
„Kontakt herzustellen“ erweise sich aber als unmöglich, sowohl über die Hotline als auch über den Chat. Auf Nachrichten via Instagram und WhatsApp gebe es auch keine Reaktion, so Nehler. Sie habe den Eindruck, dass sich DrSmile im norddeutschen Bereich komplett zurückgezogen hat. „Über das Buchungstool erhält man nur die Info, dass der Standort aktuell keine Termine vergibt.“ In ihrer Not hat die junge Frau darum je einen Brief an eine Berliner und eine Markkleeberger Adresse von DrSmile mit der Bitte um Weiterbearbeitung ihres Falles gesandt.
Allerdings hat sie mit DrSmile beziehungsweise der im Impressum genannten Berliner Urban Technology GmbH gar keinen Vertrag abgeschlossen. Im vergangenen Herbst schlüsselte das Wiener Handelsgericht in einem gegen DrSmile ergangenen Urteil (Az.:43 Cg 79/22y vom 31. Oktober 2024) die unklaren und unzulässig formulierten AGB auf. Geklagt hatte der Verein für Konsumenteninformation (VKI), damit DrSmile Verbraucher transparent über die Identität der Vertragspartner unterrichtet und unzulässige Haftungsausschlüsse unterlässt. Als der VKI Recht bekam, zog sich der Aligneranbieter im November 2024 mit sofortiger Wirkung vom österreichischen Markt zurück.
Laut den Ermittlungen des Gerichts betreibt die Urban Technology GmbH nur den Webauftritt der Marke, kümmert sich um die Vertragsanbahnung und die digitale Kundenbetreuung samt Feedbackschleifen zum Behandlungsplan, tritt aber im juristischen Sinne nur als „Vermittler“ auf. Der Vertrag mit einem Volumen von mindestens 2.390 Euro (bei geringen Fehlstellungen und Einmalzahlung) kommt mit der Düsseldorfer Deutsche Zahnklinik GmbH (DZK) zustande. Der Behandlungsvertrag wiederum entsteht nicht mit der DZK, sondern mit der jeweils involvierten Partner-Zahnarztpraxis, die auch für etwaige Fehlbehandlungen haftet, wie DrSmile vor Gericht argumentierte. Die Abrechnung erfolgt dann meist im Namen von DrSmile durch die DKZ beziehungsweise den Factoring-Provider Health Coveo AG.
„Betroffene sollten sich einen Anwalt suchen“
Bei den Experten des Projekts „Kostenfalle Zahn“ von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen ist DrSmile ein Dauerthema. In ihrem Marktcheck warf sie gewerblichen Aligneranbietern bereits 2021 „Umgehung gesetzlicher Regeln, teilweise irreführende Werbung und Schwachstellen in der Aufklärung“ vor. Im Konfliktfall drohten Patienten „deutliche Nachteile“. Was das bedeutet, erklärt Projektleiterin Gesa Schölgens.
Wie viele Beschwerden sind bei der Verbraucherzentrale eingegangen, die explizit die schwierige Kontaktaufnahme zu dem Unternehmen thematisieren?
Gesa Schölgens: Bei uns in NRW waren es sechs Fälle in den vergangenen 12 Monaten. Aber das ist sicherlich nur die Spitze des Eisbergs, wir sammeln im Projekt „Kostenfalle Zahn“ zum Beispiel keine Fälle aus den Beratungsstellen und aus anderen Verbraucherzentralen.
Was sollten Patienten tun, wenn sie auf den nächsten Behandlungsschritt warten und auf Nachfrage keine Rückmeldung von DrSmile erhalten?
Sofern die Betroffenen nicht die Gesundheitsrechtsberatung der Verbraucherbraucherzentralen in Anspruch nehmen können (nicht überall gibt es das Angebot vor Ort), sollten sie einen Anwalt/eine Anwältin, bestenfalls für Medizinrecht, suchen. Die Behandlung muss ja möglichst schnell fortgeführt werden, damit sich die Zähne nicht ungewollt verschieben. Problem dabei: Sollten Betroffene keine Rechtsschutzversicherung haben, die das Prozesskostenrisiko trägt, werden sie im Falle eines gerichtlichen Verfahrens – auf das es DrSmile vermutlich ankommen lassen wird – mit einem Großteil der Kosten (auch für Sachverständige) in Vorleistung treten müssen. Man sollte seinen Beschwerdefall immer auch an die zuständige Zahnärztekammer schicken. Bei der Zahnärztekammer Nordrhein etwa hat man schon eine Vielzahl solcher Beschwerden zu DrSmile gesammelt. Das erhöht mindestens den Druck auf die beteiligten Partnerpraxen von DrSmile.
Welche juristische Handhabe haben Patienten, überhaupt einen Anteil des vorab gezahlten Pauschalpreises zurückzuerhalten, wenn die Behandlung stockt beziehungsweise keine Kontaktaufnahme zu DrSmile möglich ist?
Uns ist bekannt, dass es solche Fälle gegeben hat. Fast immer haben sich die VerbraucherInnen aber an einen Anwalt/eine Anwältin gewandt, um dann ihr Geld zurückzuerhalten. Die Erfahrung zeigt, dass DrSmile gelegentlich im Rahmen einer Kulanz- und Verschwiegenheitsvereinbarung von (vermeintlichen) Ansprüchen Abstand nimmt. Dies ist jedoch nicht immer so – und es kann gut sein, dass das Unternehmen versuchen wird, die Forderungen gerichtlich durchzusetzen.
Der Support wurde eingestellt
Bei Nehler war es wieder ein bisschen anders: „Ich bin ursprünglich PlusDental-Kundin. Eine Nachbehandlung, also ein Refinement, erfolgte problemlos über DrSmile. Im Behandlungsplan dieses Refinements ist die DZK zumindest genannt.“ Die Zahlung für den Retainer sei aber an die Urban Technology GmbH gegangen. Seitdem herrsche Funkstille. Sie habe dem Unternehmen darum eine Frist gesetzt – bis zum 31. Januar wenigstens die Daten ihres letzten Oralscans an ihren Hauszahnarzt zu übergeben, damit er die Retainer anfertigen kann. Diese Frist verstrich, ohne Rückmeldung von DrSmile.
Was Nehler erlebt hat, scheint kein Einzelfall zu sein: Auf dem Bewertungsportal trustpilot.com etwa finden sich seit Oktober 2024 zahlreiche Erfahrungsberichte, in denen Patientinnen und Patienten nicht nur die Unterschreitung medizinischer Standards und Verfehlungen der Therapieziele beschreiben, sondern auch um ihre Weiterbehandlung bangen. „Support wurde eingestellt“, heißt es da, „unmöglich, Retainer zu bestellen“ oder „Kann mir jemand sagen, ob Dr Smile noch existiert?“.
Die Internetseite liefert keine Antwort auf diese Frage. Stattdessen lockt ein Neujahrsrabatt von 200 Euro. Die AGB suchen Nutzer vergeblich, auch der Chatbot liefert keine Hinweise. Wissbegierigen werden indes FAQ zum Wechsel des Unternehmens von Straumann zu Impress angeboten: Danach sei es ein großer Vorteil, dass DrSmile-Patienten „als Teil der Impress-Familie [...] Zugang zu einem engagierten Support“ haben, „wann immer sie diesen benötigen, einschließlich medizinischer Hilfe vor Ort in jeder Phase ihrer Behandlung“.
Schweigen auf Social Media
Ein weniger euphorisches Bild zeichnen die Social-Media-Kanäle des Unternehmens. Die Facebook-Präsenz des Anbieters ist seit Ende 2023 quasi tot, bei LinkedIn sind die jüngsten Posts acht Monate alt und auch auf Instagram ist noch der Vor-Impress-Stand abgebildet. Dafür beschweren sich auch hier Patientinnen und Patienten über mangelnde Erreichbarkeit.
Was steckt dahinter? Technische Schwierigkeiten? Oder gibt es ein Vierteljahr nach dem Unternehmensübergang von Straumann zur Impress Group ein anderes Problem? Das fragten die zm die Presseabteilungen von DrSmile und Impress Group – erhielten aber bis zum Redaktionsschluss dieser Ausgabe keine Antwort. Nehler erwägt nun rechtliche Schritte, so wie es zig Nutzer auf trustpilot angekündigt haben. Dass es bei den Vertragsabschlüssen mit DrSmile viele rechtliche Unklarheiten gibt, zeigt exemplarisch ein aktuelles Berufungsverfahren vor dem Landgericht Wuppertal.
Erstinstanzlich war eine Patientin vor dem Amtsgericht Düsseldorf erfolgreich (Az. 29 C 14/23 vom 16. April 2024), weil die Health Conveo AG als Inkassounternehmen von DrSmile nicht beweisen konnte, dass es am Telefon im Anschluss an die Besprechung des Behandlungsplans zu einem Vertragsschluss gekommen war.
Es geht vor Gericht
Das Landgericht hält das Urteil für fehlerhaft, berichtet Gesa Schölgens von der Verbraucherzentrale (siehe Interview). Im Berufungsverfahren seien nun aber verschiedene Punkte strittig, etwa ob es bei DrSmile regelhaft zu einem Fernabsatzvertrag mit Widerrufsrecht oder einem Behandlungsvertrag ohne Widerrufsrecht kommt.
Unklar ist auch, welche zahnärztlichen Leistungen genau erbracht worden sind, und ob die Rechnung überhaupt fällig ist. Der Grund: DrSmile habe die entstandenen Material- und Laborkosten nicht dargelegt, außerdem fehle eine Konformitätserklärung für die versendeten Aligner.