Prävalenz steigt

6,3 Millionen GKV-Versicherte haben mindestens eine Autoimmunerkrankung

br
Medizin
Das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (Zi) hat die Prävalenz von 30 Autoimmunerkrankungen im Zeitraum 2012–2022 untersucht. Ergebnis: Die Prävalenz steigt teils deutlich.

Die Prävalenz diagnostizierter Autoimmunerkrankungen ist unter gesetzlich versicherten Patientinnen und Patienten in den vergangenen Jahren kontinuierlich angestiegen. Die vertragsärztlichen Abrechnungsdaten zeigen zwischen 2012 und 2022 eine Zunahme von 7,06 auf 8,61 Prozent. Das entspricht einem relativen Anstieg um 22 Prozent. Insgesamt ist im Jahr 2022 bei mehr als 6,3 Millionen Patientinnen und Patienten (von insgesamt 73,24 Millionen gesetzlich Versicherten) mindestens eine Autoimmunerkrankung diagnostiziert worden. Die höchste Prävalenz wies Hashimoto-Thyreoiditis mit 2,3 Prozent auf, gefolgt von Psoriasis (1,85 Prozent) und Rheumatoider Arthritis (1,36 Prozent).

Bei 28 von 30 Autoimmunerkrankungen stieg die Prävalenz an. Die höchste Zunahme mit +130 Prozent war bei Zöliakie zu verzeichnen, gefolgt von Autoimmunhepatitis (+80 Prozent), Hashimoto-Thyreoiditis (+72 Prozent) und primärer biliärer Zirrhose (+68 Prozent). Lediglich bei zwei Erkrankungen (Diabetes mellitus Typ 1 und Sjögren-Syndrom) war ein Rückgang der Prävalenz zu beobachten (–18 beziehungsweise –27 Prozent). Bei weiblichen Versicherten fiel die Zunahme stärker aus als bei männlichen Versicherten (+28 versus +14 Prozent). Zudem war die Zunahme bei Erwachsenen im Vergleich zu Kindern und Jugendlichen höher.

Prävalenz ist in den östlichen Bundesländern überdurchschnittlich höher

Regional betrachtet zeigten sich weitere Unterschiede: Insgesamt war die Prävalenz in den östlichen Bundesländern überdurchschnittlich höher als in den westlichen (Sachsen-Anhalt: 10,26 Prozent, Brandenburg: 9,65 Prozent, Thüringen: 9,39 Prozent). Den niedrigsten Anstieg zeigten die ausgewerteten Daten in Berlin (+9 Prozent), den höchsten im Saarland (+35 Prozent) und in Baden-Württemberg (+30 Prozent). Auf Kreisebene zeigten die vertragsärztlichen Abrechnungsdaten Anstiege in fast allen Regionen mit Ausnahme von zwei Kreisen: Im Kyffhäuserkreis in Thüringen und im Rhein-Hunsrück-Kreis in Rheinland-Pfalz konnte eine rückläufige Prävalenz beobachtet werden (–13 und –3,1 Prozent).

Das sind die zentralen Ergebnisse einer aktuellen Versorgungsatlas-Studie zur „Entwicklung der Prävalenz diagnostizierter Autoimmunerkrankungen im Zeitraum 2012–2022“, die das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (Zi) heute veröffentlicht hat. „Unsere aktuelle Studie liefert erstmals belastbare epidemiologische Kennzahlen für die Erkrankungshäufigkeit eines breiten Spektrums an Autoimmunerkrankungen. Die Anzahl der Patientinnen und Patienten mit Autoimmunerkrankungen in Deutschland liegt deutlich höher als bisher angenommen. Jeder 12. gesetzlich Versicherte in Deutschland leidet an mindestens einer der 30 untersuchten Autoimmunerkrankungen – Tendenz steigend. „Bei den meisten Autoimmunerkrankungen, die oftmals chronisch verlaufen, ist die Ursache ungeklärt. Daher ist es wichtig, das epidemiologische Geschehen genau zu beobachten“, sagte der Zi-Vorstandsvorsitzende Dr. Dominik von Stillfried.W

Es ist ein weltweiter Anstieg zu beobachten

Weltweit steigt die Zahl der Menschen mit Autoimmunerkrankungen. Bei einer Autoimmunerkrankung handelt es sich um eine chronisch-entzündliche Erkrankung, bei der das Immunsystem körpereigene Zellen und Gewebe angreift. Bekannt sind bis zu 80 verschiedene Autoimmunerkrankungen, von denen mehr als die Hälfte selten vorkommen und eine Prävalenz von ≤0,05 Prozent aufweisen. Die Ursachen von Autoimmunerkrankungen werden im Zusammenspiel genetischer und umweltbedingter Faktoren vermutet. Zu den häufigsten Risikofaktoren zählen diverse bakterielle und virale Infektionen, Umweltschadstoffe und Lebensstilfaktoren. Zudem ist bekannt, dass Frauen ein höheres Risiko für Autoimmunerkrankungen haben als Männer. Das höhere Risiko für Autoimmunerkrankungen bei Frauen ist auf die geschlechtsspezifischen genetischen und hormonellen Unterschiede zurückzuführen.

Datengrundlage der heute veröffentlichten Studie waren die bundesweiten vertragsärztlichen Abrechnungsdaten gemäß § 295 SGB V aus den Jahren 2012 bis 2022. Der Datensatz umfasst Diagnosen von allen gesetzlich Krankenversicherten in Deutschland, die in den jeweiligen Jahren mindestens einmal eine vertragsärztliche Leistung in Anspruch genommen haben. Insgesamt sind 30 Autoimmunerkrankungen untersucht worden. Die Studienpopulation (weibliche und männliche gesetzlich Versicherte jeden Alters) variierte zwischen 68,9 Millionen Versicherten im Jahr 2012 und 73,2 Millionen Versicherten im Jahr 2022.

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