Lob und Kritik am Koalitionsvertrag
Die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV) und die Bundeszahnärztekammer (BZÄK) begrüßten, dass Prävention im Koalitionsvertrag eine zentrale Rolle einnimmt. Die KZBV forderte zugleich einen gesundheitspolitischen Kurswechsel. Die finanziellen und strukturellen Rahmenbedingungen für die inhabergeführten Zahnarztpraxen müssten dringend und zielgenau weiterentwickelt werden.
Positiv bewertete die KZBV die Ankündigung eines Bürokratieentlastungsgesetzes und eines iMVZ-Regulierungsgesetzes. „Damit aber die dynamische Entwicklung von investorengetragenen Medizinischen Versorgungszentren wirksam eingedämmt wird, muss eine räumliche und fachliche iMVZ-Gründungsbeschränkung für Krankenhäuser gesetzlich eingeführt werden“, forderte der KZBV-Vorstandsvorsitzende Martin Hendges.
Die BZÄK kündigte an, dass sie genau beobachten werde, ob dem angekündigten Bürokratieabbau konkrete Schritte folgten. Als „zu unkonkret“ kritisierte sie die Formulierungen im Zusammenhang mit der ambulanten und hausärztlichen Versorgung (HzV). „Hier erwarten wir geeignete Maßnahmen zur Regulierung der investorenbetriebenen Zahnkliniken sowie zu der mehr als überfälligen Anpassung der privat(zahn)ärztlichen Gebührenordnungen, hier der GOZ von 1988!“, betonte BZÄK-Präsident Prof. Christoph Benz.
Der Freie Verband Deutscher Zahnärzte (FVDZ) befürwortete ebenfalls den geplanten Bürokratieabbau und forderte, die Pläne zur Regulierung der iMVZ nachzubessern. „Transparenz allein reicht zur Regulierung nicht aus“, machte der FVDZ-Bundesvorsitzende Dr. Christian Öttl deutlich.
Als „einfallslos und beliebig“ bezeichnete er die Vorschläge zur Sicherung der flächendeckenden Versorgung. Honorarabschläge für niedergelassene Ärzte seien für Bestandspraxen nicht zu rechtfertigen. Die Bedarfsplanung für Zahnärztinnen und Zahnärzte zudem in die Hand der Länder zu legen, führe ganz sicher nicht dazu, „auch nur einen niederlassungswilligen Kollegen oder eine Kollegin in eine zahnärztlich unterversorgte Region zu bekommen“. Zulassungssperren hätten schon immer zu einer falschen Verteilung und nicht zur Verbesserung der Versorgung geführt, betonte Öttl.
KBV ruft zum Dialog auf
Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) sieht im Koalitionsvertrag „gute Chancen für einen Neuanfang in der Gesundheitspolitik“. Fehlentwicklungen der letzten Jahre müssten jetzt korrigiert werden, sagte der KBV-Vorstandsvorsitzende Dr. Andreas Gassen. Außerdem gelte es, vorhandene Strukturen zu stärken.
Der KBV-Chef appellierte an den neuen Gesundheitsminister oder die neue Gesundheitsministerin, den Dialog mit der Ärzteschaft zu suchen. „Wir wissen um die Probleme und Schwierigkeiten, haben aber auch viele Lösungsansätze.“ Ein Beispiel sei der Patientenservice 116117, der eine stärkere Rolle bei der Patientensteuerung spiele solle. Hier werde man auch über die Finanzierung sprechen müssen.
Für gut hält es Gassen, über die Entbudgetierung von fachärztlich unterversorgten Regionen nachzudenken. Hingegen erteilte er den geplanten Honorarabzügen bei Fachärzten in überversorgten Regionen eine Absage.
Der Hausärztinnen- und Hausärzteverband bewertete die geplante Einführung eines verbindlichen Primärarztsystems als „große Chance“ für die Hausärztinnen und Hausärzte. Ermutigend sei, dass die Politik dabei explizit auch auf die Hausarztzentrierte Versorgung setze. Positiv bewertet der Verband auch die geplante Erhöhung der Bagatellgrenze auf 300 Euro, die Sozialversicherungsfreiheit von Ärztinnen und Ärzten im Bereitschaftsdienst sowie die vorgesehene stärkere Regulierung investorenbetriebener Medizinischer Versorgungszentren.
Kassen rufen zum schnellen Handeln auf
Scharfe Kritik am Koalitionsvertrag kam hingegen von den Krankenkassen – sie halten die Beschlüsse zur Sanierung der GKV-Finanzen und Pflegeversicherung nicht ausreichend. „Für stabile Finanzen ist es wichtig, jetzt rasch zu handeln“, sagte die Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbandes, Doris Pfeiffer, zum Koalitionsvertrag. Die darin geplante Kommission zur Reform der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) solle jedoch erst 2027 Ergebnisse vorlegen. „Da stellt sich die Frage, ob die Politik den Ernst der finanziellen Situation wirklich erkannt hat“, monierte Pfeiffer und verwies auf schrumpfende Kassenrücklagen und Rekordbeiträge.
Der Vertrag enthalte kaum konkrete und schnell wirksame Maßnahmen zur Stabilisierung der Beitragssätze, bemängelte Ulrike Elsner, Vorsitzende des Ersatzkassenverbandes Vdek. Maßnahmen zur Begrenzung der rasant steigenden Ausgaben fehlten. „Wir erwarten durch die Ankündigungen eine weitere Verteuerung der Versorgung. So fehlen konkrete Ansätze gegen die stark steigenden Arzneimittelausgaben“, sagte sie. „Aus der Zeit gefallen“ seien auch der weitere Abbau der Prüfungen der Krankenhausrechnungen und der Verordnungen im ambulanten Bereich.
Weitere Beitragssteigerungen befürchtet
„Wir erwarten durch die Ankündigungen eine weitere Verteuerung der Versorgung“, machte Elsner deutlich. Angesichts der dramatischen Finanzsituation von GKV und sozialer Pflegeversicherung (SPV) seien „deutlich mehr Tempo und klare Entscheidungen“ notwendig. „Ansonsten drohen stetig weitere Beitragssteigerungen für Versicherte und Arbeitgeber“, warnte Elsner.
Bereits kurz nach Bekanntwerden des Koalitionsvertrags hatte sich die Chefin des AOK-Bundesverbandes, Carola Reimann, ernüchtert gezeigt, dass von den Vorschlägen der Koalitionsarbeitsgruppe zur Entlastung der Kranken- und Pflegeversicherung so gut wie nichts übriggeblieben ist. „Statt Antworten auf die drängenden Finanzprobleme bei GKV und SPV zu geben, werden Kommissionen gegründet“, beklagte Reimann.
„Wohltaten zu Lasten der GKV"
Auch Jürgen Hohnl, Geschäftsführer der Innungskrankenkassen (IKK), kritisiert, dass mit dem Vertrag der für die GKV erhoffte Paradigmenwechsel und eine wirksame Stabilisierung der Beitragssätzr ausbleibe. „Statt die Chance zu nutzen, Ausgaben und Einnahmen im Gesundheitswesen anzugleichen, spendet der Koalitionsvertrag Wohltaten zu Lasten der GKV und damit auf Kosten der Arbeitgeber und Versicherten“, kritisiert Hohnl. Konkret bleibe es dabei, dass auch im fachärztlichen Bereich eine Entbudgetierung vorgenommen, das Apothekenfixum erhöht und die ‚industrielle Gesundheitswirtschaft‘ gestärkt werden soll. Dafür würden Abrechnungsprüfungen und Regressoptionen unter dem Stichwort Bürokratieabbau weiter abgebaut.