Urteil des Bundesarbeitsgerichts

Nachträgliche Kündigungsschutzklage für Schwangere

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Recht
Eine verspätete Kündigungsschutzklage wurde vom Gericht auch nach Fristablauf zugelassen, weil zum Zeitpunkt der Kündigung eine Schwangerschaft vorlag, die der Arbeitnehmerin noch nicht bekannt war.

Die Klägerin, eine Fachkraft aus der Augenheilkunde, erhielt am 14. Mai 2022 ein Kündigungsschreiben ihrer Arbeitgeberin, in dem die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30. Juni 2022 festgelegt wurde. Am 29. Mai 2022 führte die Klägerin einen Schwangerschaftstest mit einem positiven Ergebnis durch. Sie bemühte sich sofort um einen Termin bei ihrer Gynäkologin, den sie aber erst für den 17. Juni 2022 erhielt. Die Kündigungsschutzklage beantragte sie am 13. Juni 2022 – sechs Tage nach Ablauf der Klagefrist (§ 4 Satz 1 KSchG). Am 21. Juni 2022 reichte sie ein ärztliches Zeugnis beim Arbeitsgericht ein, wonach die Schwangerschaft bereits am 28. April 2022 begonnen hat.

Die Arbeitnehmerin machte geltend, dass ihre Kündigungsschutzklage gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 KSchG auch nach Ablauf der regulären Klagefrist noch zugelassen werden müsse. Die Arbeitgeberin hingegen argumentierte, dass diese Regelung nicht greift, da die Klägerin durch den positiven Schwangerschaftstest innerhalb der in § 4 Satz 1 KSchG vorgesehenen Frist von ihrer Schwangerschaft erfahren habe. Auch die beiden Vorinstanzen hatten der Kündigungsschutzklage stattgegeben.

Unverschuldete Verzögerung durch Warten auf Frauenarzttermin

Die Kündigung wurde vor dem Zweiten Senat des Bundesarbeitsgerichts als unwirksam erklärt, weil sie gegen das im Mutterschutzgesetz verankerte Kündigungsverbot während der Schwangerschaft und bis zu vier Monate nach Entbindung verstößt (§ 17 Abs. 1 Nr. 1 MuSchG). Zwar hat die Arbeitnehmerin mit ihrer Klage die Frist zur Einreichung der Kündigungsschutzklage nicht eingehalten, weil sie zum Zeitpunkt der Kündigung keine Kenntnis von der bereits bestehenden Schwangerschaft hatte.

Die verspätet erhobene Klage wurde dennoch nachträglich zugelassen (§ 5 Abs. 1 Satz 2 KSchG), weil die Klägerin unverschuldet erst bei der frühestmöglichen frauenärztlichen Untersuchung am 17. Juni 2022 die Information erhielt, dass sie zum Zeitpunkt des Erhalts der Kündigung schwanger war. Der am 29. Mai 2022 durchgeführte Schwangerschaftstest reichte hierfür nicht aus, weil hiermit der Zeitpunkt des Schwangerschaftsbeginns nicht festgestellt werden konnte.

§ 4 Satz 1 und 4 KSchG lauten: „Will ein Arbeitnehmer geltend machen, dass eine Kündigung sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist, so muss er innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist. (…) Soweit die Kündigung der Zustimmung einer Behörde bedarf, läuft die Frist zur Anrufung des Arbeitsgerichts erst von der Bekanntgabe der Entscheidung der Behörde an den Arbeitnehmer ab.“

§ 5 Abs. 1 Satz 2 KSchG lautet: „[Die Klage ist auf Antrag nachträglich zuzulassen], wenn eine Frau von ihrer Schwangerschaft aus einem von ihr nicht zu vertretenden Grund erst nach Ablauf der Frist des § 4 Satz 1 Kenntnis erlangt.“

Bundesarbeitsgericht,
Az.: 2 AZR 156/24
Urteil vom 3. April 2025

Vorinstanzen:
Arbeitsgericht Dresden
Az.: 6 Ca 1051/22
Urteil vom 5. Januar 2023

Sächsisches Landesarbeitsgericht
Az.: 2 Sa 88/23
Urteil vom 22. April 2024

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