Konflikte in der Praxis – Teil 4

Zwischen Führung und Teamgeist: Wenn Sie mehrere Hüte aufhaben

Anke Handrock
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Maike Baumann
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Annika Łonak
Wer regulär im Team mitarbeitet und zugleich die Praxis leitet, ist mit vielen schwierigen Situationen im Kollegium konfrontiert. Wie Sie damit umgehen und welche Potenziale diese Doppelrolle mit sich bringt, lesen Sie hier.

Wenn Sie Inhaber einer Praxis sind oder diese verantwortlich leiten, haben Sie eine besondere Position im Team. Sie sind einerseits Behandler und Fachexperte und damit ein Mitglied des Praxissystems, das inhaltlich ganz normal im Team mitarbeitet. Auf der anderen Seite sind Sie die Führungsperson, die verantwortlich für die ganze Praxis ist und die die Macht hat, über die Zugehörigkeit aller anderen Teammitglieder zu entscheiden. Jede dieser Rollen beinhaltet besondere Herausforderungen. Gefordert sind sehr unterschiedliche Denk- und Handlungsweisen, je nach dem, welchen Hut Sie gerade aufhaben.

In der Rolle als Mitglied des Praxissystems fühlt man sich in der täglichen Arbeit oft „wie ein normales Teammitglied“. Es braucht einen guten Austausch auf Augenhöhe und Aufmerksamkeit füreinander. Die Basis dafür ist eine flüssige, klare Kommunikation zwischen Behandelnden, Assistenz, Labor und Rezeption. Wenn sich sämtliche Teammitglieder über alle Hierarchieebenen hinweg untereinander wertgeschätzt fühlen, entwickelt sich das harmonische Arbeitsklima, das sich alle Praxisteams wünschen. Das erfordert Rücksichtnahme aufeinander, freundliches Feedback und das Ansprechen von Wünschen und Bedürfnissen. Hinzu kommt auch die offene Kommunikation über unvermeidlich auftretenden Fehler, Missverständnisse und kleine Unfälle im Alltag, damit gemeinsam die Freude an guter Zahnmedizin gelebt werden kann.

Hier geht's zu Teil 1 der Serie „Probleme im Praxisalltag“

„Das Problem gehört auf den Tisch!“

In ihrer Rolle als Fachfrau für Zahnheilkunde, haben Behandlerinnen im Praxisteam eine herausgehobene Stellung. Diese Expertenrolle führt selten zu Konflikten. Expertise wird intuitiv von Menschen verstanden und in der Regel respektiert. Werden Sie in Ihrer Expertenrolle der Behandlerin infrage gestellt, müssen Sie daher gut abwägen, ob das Gegenüber selbst über genug Know-how verfügt, um ein fachlich wertvolles Feedback zu geben – oder ob hier gerade Ihre Führungsrolle als Chef angegriffen wird. Je nach Situation ist ein Dank angemessen (berechtigtes Expertenfeedback) oder eine klare Grenzsetzung erforderlich (Angriff auf die Führungsrolle der Chefin).

Neben äußeren kann es auch zu inneren Konflikten kommen

Wie es sich anfühlt, gleichzeitig Teammitglied und Fachexperte zu sein, wissen Sie aus der Assistenzzeit. Viele Niedergelassene haben allerdings noch keine Vorerfahrung mit der Rolle als wirtschaftlich verantwortliche Führungskraft. Als wirtschaftlich verantwortliche Praxisleitung (Praxisinhaber und Chef) braucht es den umfassenden, wirtschaftlichen und planerischen Blick, der dauerhaft Stabilität und Zukunft der gesamten Praxis sichert. Diese Rolle erfordert die Bereitschaft, Entscheidungen im Sinne des gesamten Praxissystems zu treffen – auch wenn einzelne Teammitglieder dadurch manchmal Nachteile in Kauf nehmen müssen. Das bedeutet, immer wieder aushalten zu müssen, dass Teammitglieder potenziell unzufrieden mit der Chefin sind. Dafür ist immer wieder eine gewisse menschliche Distanz erforderlich, um fair und mit gutem Augenmaß in Konfliktsituationen Entscheidungen im Sinne der gesamten Praxis zu treffen.

Zwischen diesen Rollen kann es zu inneren Konflikten kommen. Diese sind meist umso intensiver, je weniger man sich seiner verschiedenen Rollen bewusst ist. Derartige innere Konflikte äußern sich zum Beispiel durch Unzufriedenheit, Ärger, Unmut, Enttäuschung oder auch durch ein „schlechtes Gewissen“, oft ohne, dass man den Grund dafür wirklich versteht.

Hier geht's zu Teil 2 der Serie „Probleme im Praxisalltag“:

„Was tun, wenn der Streit eskaliert?“

Beispiel 1: Regina Friedmann hat die Praxis übernommen, in der sie auch ihre Assistenzzeit absolviert hat. Sie hatte in der Assistenzzeit ein sehr freundschaftliches Verhältnis zu drei der sieben Mitarbeitenden aufgebaut, die ihr am Anfang auch oft geholfen hatten. Sie war völlig überzeugt, dass sich dieses Verhältnis auch nach dem Abschied der alten deutlich „strengeren“ Chefin nicht ändern würde. Jetzt ist sie irritiert und enttäuscht, weil es jetzt immer mal wieder vorkommt, dass die Mitarbeitenden offensichtlich das Thema wechseln, wenn sie den Sozialraum betritt. Sie findet es auch schwierig, dass eine der drei Mitarbeitenden – Anke Engel – öfter mit Bemerkungen wie „Du weißt doch, wie das bei mir ist!“ Sonderwünsche anmeldet und hat Probleme, diese dann abzulehnen. Sie ist enttäuscht, als Engel ihr einmal vorwirft: „Seit du die Chefin bist, hast du dich echt ganz schön verändert.“

Als Teammitglied wünscht man sich, völlig zum Team dazuzugehören und sich im Team so wie alle anderen verhalten zu können. In der Rolle eines „normalen Teammitglieds“ ist es völlig in Ordnung, zu einzelnen Personen einen besseren Draht zu haben und mit denen auch enger im Kontakt zu sein. In dieser Rolle fällt es vielen Menschen schwer, Zurückweisungen durch reduzierte Kommunikation oder Vorwürfe auszuhalten. Gewährt man jedoch als Chefin einzelnen Teammitgliedern regelmäßig und spürbar mehr Zuwendung und Wertschätzung, führt das automatisch zu Unzufriedenheit und negativen Emotionen. Das fühlt sich für die anderen Teammitglieder unfair an und zieht auf längere Sicht Unfrieden im gesamten Team nach sich.

Es hilft deshalb, sich bewusst zu machen, dass man als Chef kein derartiges, normales Teammitglied mehr sein kann, sondern dass in der Gruppe immer die Rolle als Gestalter des Praxissystems mitgesehen wird. Es gehört auch zur Führungsrolle dazu, damit umzugehen, dass einzelne Teammitglieder phasenweise ärgerlich oder unzufrieden mit einer Entscheidung sind und das auch zeigen.

Hier geht's zu Teil 3 der Serie „Probleme im Praxisalltag“:

„Wenn zwei sich streiten ...“

Es ist nützlich, die Aufmerksamkeit und Zuwendung der Chefin für einzelne Teammitglieder als Ressource zu betrachten, die nur in einer bestimmten Menge überhaupt zur Verfügung steht. Wichtig ist es hierbei im Hinterkopf zu haben, dass die eigene Stuhlassistenzen automatisch relativ viel von dieser Ressource bekommen, während ZMPs und Mitarbeitende in Verwaltung und Rezeption im Alltag davon oft deutlich weniger erhalten. Dafür einen Blick zu haben und die Wertschätzung allen gegenüber bewusst und gerecht auszudrücken, hilft zwischenmenschliche Konflikte zu reduzieren.

Bestimmte Entscheidungen kommen von Ihnen als Chef

Sowohl für die Kommunikation im Team als auch für die eigene Rollenklarheit kann es hilfreich sein, derartige erforderliche Entscheidungen als Chefentscheidung anzukündigen, zum Beispiel mit Worten wie „Als Chef bin ich verantwortlich für uns alle und für die gesamte Praxis. Aus dieser Sicht habe ich entschieden, dass [...]“.  Auf diese Weise mache ich mir meine Rolle bewusst, aus der ich jetzt entscheide und verdeutliche das auch meinem Team.

Beispiel 2: In einem Coaching-Gespräch klärt Regina Friedmann ihre Rollen. Als Anke Engel einige Tage später wieder mit einem Sonderwunsch und der entsprechenden Bemerkung zu Friedmann kommt, lehnt diese freundlich mit folgenden Worten ab: „Weißt du, seit ich hier die Praxis leite, muss ich ja das Ganze im Blick haben. Und es ist mir sehr wichtig, dass es für alle hier möglichst fair zugeht und wir langfristig alle gut miteinander zusammenarbeiten können. Deshalb kann ich dir solche Wünsche nicht erfüllen." Sie ist erstaunt, dass Engel daraufhin zwar nicht glücklich ist, aber auch nicht mehr diskutiert. Friedmann selber fühlt sich danach entspannt und souverän. Weitere entsprechende Anfragen von Engel unterbleiben danach.

Falls eine Person oder eine Gruppe Nachteile bei dieser Entscheidung hinnehmen muss, kann man so fortfahren: „Dabei werden einzelne Teammitglieder dieses Mal so zurückstecken müssen [...], damit es insgesamt fair bleibt wird das beim nächsten Mal auf folgende Weise ausgeglichen [...]." Damit wird deutlich, dass diese Entscheidung im Sinne der gesamten Praxis getroffen wird und nicht auf der Ebene der einzelnen Teammitglieder verhandelt werden kann.

Falls es zu größeren Nachteilen kommt, zum Beispiel bei Vertretungsregelungen, hilft oft, bewusst um Feedback zu bitten. Manchmal enthalten die Rückmeldungen der Mitarbeitenden wichtige Informationen oder weiterführende Ideen. Gleichzeitig lässt sich eine allfällige Diskussion damit auch bewusst offen gestalten und führen. Falls es dann neue Informationen oder Ideen gibt, können Sie Ihre Entscheidungen auch noch problemlos anpassen, ohne dass Ihr Ansehen im Team leidet. Der Schlüssel ist, dass im Sinne der gesamten Praxis entschieden wird, dass es fair und wertschätzend ist und dass alle zur Verfügung stehenden Informationen gehört worden sind.

Wird die Chefin insgesamt als fair und gerecht allen Teammitgliedern gegenüber wahrgenommen, werden auch ihre Entscheidungen insgesamt gut angenommen, die zwar im Sinne der Praxis sind, aber vielleicht einzelnen Teammitgliedern auch mal nicht gefallen.

Eine weitere Herausforderung für Führende einer Praxis besteht darin, Teammitglieder beim Lösen von Konflikten zu unterstützen. Da die Leitenden verantwortlich für das ganze Praxissystem und dessen Fortbestand sind, tragen sie auch die Verantwortung für eine hinreichend gute Arbeitsatmosphäre im Team.

Denn wenn Konflikte zu einer längerfristigen Spaltung des Teams führen und dadurch die Arbeitsatmosphäre nicht mehr stimmt, ist die Praxis im Ganzen gefährdet. Zwischenmenschliche Spannungen, die das Team aufreiben, können daher nicht einfach ausgeblendet und ignoriert werden. Die faire und wertschätzende Verteilung knapper Ressourcen im Praxissystem, beispielsweise wer wie oft den Spätdienst übernehmen muss, ist eine der grundlegenden Führungsaufgaben von Chefinnen und kann vom Team nur sehr selten allein gelöst werden.

Solange Konflikte im Team die Eskalationsstufen 1 bis 3 (siehe Teil 2 der Serie) noch nicht überschritten haben, können Chefs sich gut als Vermittler in Konflikten einbringen. Wichtig ist, zu reflektieren, dass sie vor dem Angebot der Vermittlung für keine der Seiten Partei ergreifen und alle Teammitglieder den Chef als insgesamt fair und wertschätzend erleben. Das gilt insbesondere für Missverständnisse und Wertekonflikte. Wenn ein Konflikt durch eine echten Ressourcenknappheit bedingt ist, ist es häufig ein Zeichen von mangelnder Aufmerksamkeit des Chefs, wenn es dadurch zu einer Konflikteskalation im Team kommt (siehe Teil 1 der Serie).

Fazit

In einzelnen Situationen ist es gut, sich klarzumachen, welchen Hut man sich gerade aufsetzt: Teammitglied, Expertin, Praxisinhaberin mit Verantwortung für das ganze Praxissystem, oder Vermittlerin und bewusst das eigene Verhalten entsprechend zu steuern.

Dr. med. dent. Anke Handrock

Praxiscoach, Lehrtrainerin für Hypnose (DGZH), NLP, Positive Psychologie,
Coaching und Mediation,
Speakerin und Autorin

Dipl.-Psych. Maike Baumann

Psychotherapeutin und Mediatorin, Coach, Autorin und Dozentin

Annika Łonak

Fachärztin für Radiologie und Neuroradiologie, Oberärztin Universitätsspital Basel

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