„Allgemeine Krankheitsanfälligkeit“ ist als Kündigungsgrund zulässig
Der Kläger war zuletzt als Maschinenbediener in einem Unternehmen der Brot- und Backwarenindustrie tätig. Ab dem Jahr 2018 war der Kläger wegen verschiedenen Atemwegs- und Virusinfektionen sowie Schmerzsyndromen arbeitsunfähig erkrankt. Die Fehlzeiten summierten sich im ersten Jahr auf 40 Tage und in der Folge auf 43 Tage (2019), 33 Tage (2020), 44 Tage (2021) und 43 Tage (2022). Wegen der Kurzzeiterkrankungen musste der Arbeitgeber jedes Mal Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall leisten, meist zwischen 7.000 und knapp 8.500 Euro jährlich. Um den Arbeitsausfall auszugleichen, musste der Arbeitgeber zudem auf Leiharbeitskräfte zurückgreifen.
Das Unternehmen bot dem Mann mehrfach ein betriebliches Eingliederungsmanagement an, was dieser jedoch nur einmal in Anspruch nahm. Als der Kläger nach einer Erkrankung im Oktober 2022 das Angebot erneut ausschlug, kündigte der Arbeitgeber ihm am 16. Dezember 2022 wegen häufiger Kurzzeiterkrankungen ordentlich und fristgerecht zum 30. Juni 2023. Dagegen klagte der Mann vor dem Arbeitsgericht Schwerin und scheiterte (Urteil vom 06. April 2023, Az. 5 Ca 1543/22).
Entstehen Betriebsablaufstörungen oder Kosten?
In der Berufung bestätigte das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern die erstinstanzliche Entscheidung. Die Berufung sei zulässig, aber unbegründet, lautete das Urteil. Das Arbeitsgericht habe die Klage zu Recht und mit der zutreffenden Begründung abgewiesen.
Häufige Kurzerkrankungen könnten nach verschiedenen Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts (zuletzt Az.: 2 AZR 6/18, Urteil vom 25. April 2018) eine personenbedingte Kündigung auslösen, wenn vor dem Hintergrund bisheriger Erkrankungen weitere Arbeitsausfälle in erheblichem Umfang angenommen werden können (Negativprognose), diese prognostizierten Fehlzeiten zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen führen (etwa durch Betriebsablaufstörungen oder Entgeltfortzahlungskosten für einen Zeitraum von mehr als sechs Wochen jährlich) und diese Beeinträchtigungen vom Arbeitgeber unter Abwägung mit dem Interesse des Arbeitnehmers am Fortbestand des Arbeitsverhältnisses nicht mehr hingenommen werden müssen.
Einer negativen Prognose stehe nicht entgegen, so das Gericht, wenn die Arbeitsunfähigkeitszeiten auf unterschiedlichen Erkrankungen beruhen. „Selbst wenn die Krankheitsursachen verschieden sind, können sie doch auf eine allgemeine Krankheitsanfälligkeit hindeuten, die prognostisch andauert.“ Im vorliegenden Fall sei die Vorinstanz zutreffend davon ausgegangen, dass zum Kündigungszeitpunkt aufgrund der aufgetretenen Fehlzeiten mit weiteren Erkrankungen im bisherigen Umfang zu rechnen und damit eine negative Gesundheitsprognose gerechtfertigt war.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Schwerin wurde auf seine Kosten zurückgewiesen, die Revision nicht zugelassen.
Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern
Az.: 5 Sa 56/23
Entscheidung vom 07. Mai 2024
Vorinstanz:
Arbeitsgerichts Schwerin
Az. 5 Ca 1543/22
Urteil vom 06. April 2023