Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG)

Gehaltsabrechnungen können auch digital versendet werden

sth
Recht
Abrechnungen über die Zahlung des Gehalts muss der Arbeitgeber in Textform erteilen. Dieser Verpflichtung kann er oder sie grundsätzlich auch digital nachkommen, hat das Bundesarbeitsgericht entschieden.

Bedingung dafür ist, dass die Abrechnung als elektronisches Dokument zum Abruf in ein passwortgeschütztes digitales Postfach des Mitarbeiters oder der Mitarbeiterin eingestellt wird.

Die Klägerin wollte ihre Abrechnung weiterhin auf Papier

Es handelte sich bei dem Prozess um ein Revisionsverfahren. In erster Instanz geklagt hatte eine Arbeitnehmerin, die in einem Einzelhandelsbetrieb als Verkäuferin beschäftigt ist. Für den Konzernverbund, bei dem die Klägerin arbeitet, regelt eine Konzernbetriebsvereinbarung vom 7. April 2021, dass alle Personaldokumente, insbesondere Entgeltabrechnungen, über einen externen Anbieter in einem digitalen Mitarbeiterpostfach bereitgestellt werden und von den Beschäftigten über einen passwortgeschützten Online-Zugriff abrufbar sind.

Sofern für Beschäftigte keine Möglichkeit besteht, über ein privates Endgerät auf die im digitalen Mitarbeiterpostfach hinterlegten Dokumente zuzugreifen, hat der Arbeitgeber zu ermöglichen, die Dokumente im Betrieb einzusehen und auszudrucken. Auf Grundlage der Konzernbetriebsvereinbarung stellte die Beklagte ab März 2022 Entgeltabrechnungen nur noch elektronisch zur Verfügung. Dem widersprach die Klägerin und verlangte, ihr weiterhin Abrechnungen in Papierform zu übersenden.

Im Januar 2024 gab das Landesarbeitsgericht Niedersachsen der Klage statt. Dem Urteil lag die Annahme des Gerichts zugrunde, dass der Klägerin die Entgeltabrechnungen durch Einstellen in das Online-Portal nicht ordnungsgemäß erteilt worden seien. Bei Entgeltabrechnungen handele es sich um zugangsbedürftige Erklärungen. Ein digitales Mitarbeiterpostfach sei nur dann als Empfangsvorrichtung geeignet, wenn der Empfänger es – anders als die Klägerin im Streitfall – für den Erklärungsempfang im Rechts- und Geschäftsverkehr bestimmt habe.

Auch Teilzeitkräften stehen Übersstundenzuschläge zu

In einer weiteren Entscheidung hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) geurteilt, dass es nicht zulässig ist, einheitliche Schwellenwerte für Überstundenzuschläge für Vollzeit- und Teilzeitkräfte festzulegen. Zum Hintergrund: Bisher erhielten Teilzeitkräfte laut vieler Tarifverträge erst Überstundenzuschläge, wenn die normale Arbeitszeit einer Vollzeitkraft überschritten war. Das hatte zur Folge, dass Teilzeitkräften bei Mehrarbeit häufig kein Zuschlag gezahlt wurde – es sei denn, sie gingen weit über ihre Regelarbeitszeit hinaus.

Laut BAG ist das nicht zulässig. Dem Urteil zufolge muss jede Überstunde, die über die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit hinausgeht, gleichbehandelt werden – unabhängig von der individuellen Arbeitszeitregelung. Teilzeitkräfte, die in der Vergangenheit Überstunden ohne Zuschlag geleistet haben, könnten unter bestimmten Voraussetzungen Schadensersatzansprüche geltend machen. Das bedarf jedoch einer genauen Einzelfallprüfung.

Bundesarbeitsgericht
Az.: 8 AZR 370/20
Urteil vom 5. Dezember 2024

Vorinstanz:
Hessisches Landesarbeitsgericht
Az.: 5 Sa 436/19
Urteil vom 19. Dezember 2019

Es genügt, die Abrechnung an einer elektronischen Ausgabestelle bereitzustellen

Dagegen legte die Beklagte Revision vor dem Neunten Senat des Bundesarbeitsgerichts ein – mit Erfolg. Die Klage wurde an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Die Begrüdung des BAG: „Erteilt der Arbeitgeber Entgeltabrechnungen, indem er diese in ein digitales Mitarbeiterpostfach einstellt, wahrt er damit grundsätzlich die von § 108 Abs. 1 Satz 1 GewO vorgeschriebene Textform. Der Anspruch eines Arbeitnehmers auf Abrechnung seines Entgelts ist eine sog. Holschuld, die der Arbeitgeber erfüllen kann, ohne für den Zugang der Abrechnung beim Arbeitnehmer verantwortlich zu sein.“ Es genüge, dass die Abrechnung an einer elektronischen Ausgabestelle bereitgestellt würde. Hierbei habe er den berechtigten Interessen der Beschäftigten, die privat nicht über die Möglichkeit eines Online-Zugriffs verfügen, Rechnung zu tragen.

Die in der Konzernbetriebsvereinbarung im Rahmen des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG geregelte digitale Zurverfügungstellung der Entgeltabrechnungen greift auch Sicht des BAG nicht unverhältnismäßig in die Rechte der betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ein. Das Gericht merkte jedoch an, dass eine abschließende Entscheidung zurzeit nicht möglich sei, „da bisher keine Feststellungen dazu getroffen worden sind, ob Einführung und Betrieb des digitalen Mitarbeiterpostfachs in die Zuständigkeit des Konzernbetriebsrats fallen“.

Bundesarbeitsgericht
Az.: 9 AZR 48/24
Urteil vom 28. Januar 2025

Vorinstanz:
Landesarbeitsgericht
Niedersachsen
Az.:9 Sa 575/23
Urteil vom 16. Januar 2024

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