Vorstoß der Gesundheitsministerin

Verschärft Frankreich seine Zuckersteuer?

mg
Politik
Frankreichs Gesundheitsministerin Geneviève Darrieussecq hat sich für eine Verschärfung der Zuckersteuer ausgesprochen. Die in europaweit bereits in elf Ländern erhobene Abgabe sei eine zwingende Maßnahme der Primärprävention, argumentiert sie.

Es sei ein „echtes Problem für die öffentliche Gesundheit“, dass Zucker überall enthalten sei – sogar in herzhaften Lebensmitteln, erklärte Darrieussecq während ihrer Anhörung  zum französischen Gesundheitsbudget. „Ich bin für Maßnahmen gegen Zucker. Er vergiftet uns.“ Unterstützung erhält die Ministerin von Wirtschaftsminister Laurent Saint-Martin.

„Die Gesundheitsministerin hat recht, wenn sie darauf hinweist, dass es heute ein ernsthaftes Problem mit Zucker, verarbeiteten Lebensmitteln und Junkfood gibt, das man durch Besteuerung angehen sollte“, erklärte er in einem Radiointerview. Er hoffe zudem darauf, dass die Verschärfung der Zuckersteuer „einige hundert Millionen Euro“ zusätzliche Staatseinnahmen einbringen. Der Gesundheitshaushalt 2025 wird derzeit von den Mitgliedern des französischen Parlaments diskutiert. Die Verhandlungen sollen am 5. November fortgesetzt werde.

Norwegen führte Steuer vor 43 Jahren ein

Laut der australischen Nichtregierungsorganisation Obesity Evidence Hub haben weltweit bisher 54 Länder verschiedene Formen einer Zuckersteuer eingeführt. Eines der ersten Länder war Norwegen im Jahr 1981. Die Steuer wird jährlich angepasst und liegt in diesem Jahr bei umgerechnet 80 Cent pro Kilogramm des besteuerten Produktes, dazu gehören zum Beispiel Streuzucker, Zuckerguss, Zuckerperlen und alle gezuckerten Getränke. Weitere Länder mit Zuckersteuern sind Lettland (seit 2004), Finnland und Ungarn (2011), Frankreich (2012, modifiziert 2018), Belgien (2016), Portugal (2017), Estland und Irland (2018) sowie Spanien und Polen (2021).

Etwa zeitgleich mit Darrieussecqs Vorstoß veröffentlichte der Ausschuss für Ernährung und Adipositas des britischen Oberhauses einen Prüfbericht. Unter dem Titel „Rezept für Gesundheit: Ein Plan zur Reparatur unseres kaputten Ernährungssystems“, fordert er die Regierung auf, ernährungsbedingten Krankheiten wirksam vorzubeugen, indem die Lebensmittelindustrie mit einem Maßnahmenpaket gezwungen wird, weniger gesundheitsschädliche Produkte zu vertreiben.

Auch in Großbritannien werden weitere Maßnahmen gefordert

Hintergrund der Forderung: Neuesten Statistiken zufolge sind in Großbritannien zwei Drittel aller Erwachsenen übergewichtig oder adipös (zum Vergleich: In Deutschland sind es 52,7 Prozent), was zu immensen Gesundheitskosten für die Allgemeinheit führte. Weiter heißt es, die meisten der rund 700 in den Jahren 1992 bis 2020 ergriffene Maßnahmen zur Bekämpfung von Adipositas im Vereinigten Königreich seien weitgehend erfolglos geblieben.

Darum fordern die Experten bis zum Ende der Legislaturperiode ein vollständiges Verbot der Werbung für hochverarbeitete Lebensmittel in Großbritannien, neue Steuern auf stark gezuckerte Lebensmittel und neue Befugnisse für eine unabhängige Lebensmittelbehörde, „damit diese eine Strategie ausarbeiten und die Lebensmittelindustrie überwachen kann.“

Deutschland stagniert bei der „freiwilligen Selbstverpflichtung“

Von all dem ist Deutschland weit entfernt. Obwohl sich Schätzungen zufolge bereits 2015 die Kosten für Behandlungen von Adipositas und deren Folgekomplikationen auf 63 Milliarden Euro pro Jahr summierten, wurde damals unter Kanzlerin Angela Merkel (CDU) nur eine „freiwillige Selbstverpflichtung“ der Lebensmittelindustrie eingeführt. Deren erklärtes Ziel war es, den Zuckergehalt bis 2025 um 15 Prozent zu reduzieren.

Bis 2023 war der Effekt gering: Laut einer Studie ist der Zuckergehalt in süßen Getränken seitdem lediglich um zwei Prozent zurückgegangen. Trotzdem sind verbindliche Vorgaben bis zum Ende der aktuellen Legislatur nicht zu erwarten. Der Grund ist vor allem der Widerstand von Seiten der FDP.

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