Niederlande kritisieren „schädliche“ Nikotingesetzgebung
Die EU-Kommission hatte zuvor die Tabak-bezogene Gesetzgebung aus ihrem Arbeitsprogramm für 2025 ausgeschlossen. Der niederländische Gesundheitsminister Vincent Karremans forderte daraufhin in einem Brief den EU-Gesundheitschef Olivér Várhelyi auf, diese „schädliche Verzögerung“ zu unterlassen. Eine Überarbeitung der Richtlinie über Tabakerzeugnisse (TPD) und Richtlinien in Bezug auf Werbung und Besteuerung sei angesichts „des sich schnell entwickelnden Marktes für Tabak- und Nikotinbeutel“ dringend nötig, heißt es laut Medienberichten in dem Schreiben – das Belgien und Lettland ebenfalls unterstützen.
„Vielleicht kommt als Nächstes eine Nikotin-Zahnpasta“
Mitte Februar wurde bekannt, dass die polnische EU-Ratspräsidentschaft die Debatte über eine Besteuerung alternativer Tabakprodukte vorantreiben will. Das berichtet das Politik-Portal Euractiv mit Verweis auf ein internes Dokument. Der Tabakmarkt habe sich in den vergangenen Jahren „dramatisch verändert“, heißt es demnach in dem Papier. Vor allem neue Produkte wie E-Zigaretten, Tabakerhitzer und Nikotinbeutel gewännen zunehmend an Bedeutung. Im Gegenteil zu herkömmlichen Tabakprodukten gibt es für diese alternativen Produkte bislang keine EU-weiten Steuerrahmen.
„Der Markt hat bereits Nikotin-Zahnsticks und Nikotin-Gummis gesehen – vielleicht wird als Nächstes eine Nikotin-Zahnpasta kommen“, heißt es in dem Dokument weiter. Die Ratspräsidentschaft kritisiert, dass alternative Tabakprodukte nicht nur breit vermarktet werden, sondern „die Hauptzielgruppen Kinder und Jugendliche sind, für die sie als Einstieg in die Nikotinsucht dienen“. Jugendliche zwischen 13 und 15 Jahren würden häufiger E-Zigaretten konsumieren als Erwachsene, heißt es weiter unter Berufung auf WHO-Daten.
Die Richtlinie über Tabakerzeugnisse umfasst bisher traditionelle und alternative Produkte wie E-Zigaretten und Tabakerhitzer. Nicht berücksichtigt würden hingegen neue Produkte wie Nikotinbeutel, die keinen Tabak enthalten und oral verwendet werden. Befürworter dieser Produkte argumentieren unter Berufung auf – von der Industrie finanzierten – Studien, dass diese Alternativen deutlich weniger schädlich seien als herkömmliche Zigaretten und daher anders reguliert werden sollten. „Weniger schädlich bedeute immer noch schädlich“, betonten jedoch die EU und die Weltgesundheitsorganisation, schreibt das Politik-Portal Euractiv. Langfristige gesundheitliche Auswirkungen seien noch nicht bekannt.
Karremans fordert darum, dass die Kommission in Bezug auf E-Zigaretten und andere Nikotinprodukte „umfassende Beschränkungen für Aromen, maximale Nikotingehalte und Einheitsverpackungen“ festlegen solle. Solange es keinen EU-Rahmen gebe, gelten unterschiedliche Regelungen: Derzeit hätten acht Mitgliedstaaten Gesetze zur Einheitsverpackung, die sich hauptsächlich auf traditionelle Zigaretten beziehen. In den Niederlanden, Belgien, Irland und Finnland würden diese Vorschriften hingegen schon für alle Tabak- und Nikotinprodukte gelten.
„Verbraucher können nationale Regelungen leicht umgehen“
Karremans forderte laut Berichten außerdem, dass die EU einen Rechtsrahmen für den grenzüberschreitenden Verkauf neuartiger Produkte schaffe. Bisher können Verbraucher nationale Beschränkungen leicht umgehen. In Belgien sei beispielsweise der Verkauf von erhitzten Tabakerzeugnissen verboten, doch Verbraucher können diese weiterhin online kaufen oder aus Nachbarländern importieren. „Der Online-Verkauf und der grenzüberschreitende Handel mit Tabak- und Nikotinerzeugnissen untergraben die nationalen Bemühungen, den Zugang zu diesen Produkten einzuschränken“, heißt es demnach in dem Schreiben.
Gefordert wird außerdem eine größere Rechenschaftspflicht der sozialen Medien. Die EU-Kommission solle mit den Plattformen zusammenarbeiten, um werbliche Inhalte für Tabak- und Nikotinprodukte zu entfernen – insbesondere Werbung, die sich an junge Nutzer richte, lautet Karremans Vorstellung. „Es ist wichtig, das Hochladen von Inhalten auf ihre Plattformen zu verhindern, die auf den Verkauf oder die Vermarktung von Tabak- und Nikotinprodukten abzielen, bevor (oder unmittelbar nachdem) die Inhalte veröffentlicht werden“, erklärte demnach der niederländische Minister.