Wann ist Schluss mit intransparenten Zutatenlisten bei Lebensmitteln?
Wer wissen will, wie hoch der Spinatanteil im Rahmspinat ist oder wie viel Prozent Himbeeren im Beerenmüsli stecken, wird häufig enttäuscht. Zutatenlisten müssen nicht in allen Fällen konkrete Mengenangaben enthalten. Die derzeitigen Regelungen, wann Zutaten mit Prozentwerten angegeben werden müssen und wann nicht, sorgen für Verwirrung, schreibt der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv).
„Die Studie zeigt: Verbraucherinnen und Verbraucher wünschen sich vollständige Prozentangaben in der Zutatenliste. Nur so sind Qualitätsvergleiche möglich. Das scheinbar willkürliche Benennen oder Verschweigen von Zutatenanteilen durch die Anbieter muss ein Ende haben“, so Stephanie Wetzel, Koordinatorin des Projekts Lebensmittelklarheit im vzbv.
60 Prozent ärgern sich über fehlende Mengenangaben
In der Studie des Projekts Lebensmittelklarheit gibt eine Mehrheit (59 Prozent) der Befragten an, dass sich ihnen das System hinter der Mengenkennzeichnung nicht erschließt. Sechs von zehn (60 Prozent) der Befragten geben an, sich über fehlende Mengenangaben in der Zutatenliste zu ärgern.
„Durch fehlende Mengenangaben können Verbraucherinnen und Verbraucher Zutatenlisten ähnlicher Produkte nur unzureichend miteinander vergleichen. Der Qualitätswettbewerb unter den Anbietern wird dadurch ausgehebelt“, sagt Wetzel. „Hier braucht es mehr Fairness und Transparenz im Supermarkt und eine einheitliche und vollständige Mengenkennzeichnung für Zutaten.“
Ideale Zutatenliste enthält vollständige Mengenangaben
Die Ergebnisse der Befragung zeigen auch, dass Verbraucherinnen und Verbraucher eine detaillierte Mengenkennzeichnung von Zutaten bevorzugen: Auf die Frage, welche Form der Zutatenliste auf einem Milchreis sie am besten bei ihrer Einkaufsentscheidung unterstützt, wählt der Großteil der Befragten (82 Prozent) die ausführlichste Variante mit umfassenden Mengenangaben für die Zutaten.
Auch bei anderen zusammengesetzten Produkten, wie zum Beispiel einem Mehrfruchtsaft, wünschen sich nahezu zwei Drittel (66 Prozent) der Befragten Zutatenlisten mit ausführlichen Mengenanteilen.
Verbraucherschützer: „Es gelten unklare Ausnahmeregelungen“
Derzeit müssen Lebensmittelanbieter nur dann Prozentwerte einzelner Zutaten in zusammengesetzten Produkten angeben, wenn sie diese auf der Verpackung hervorheben oder erwähnen. Doch der europäische Gesetzgeber erlaubt selbst dann mehrere Ausnahmen von dieser Regel. Hersteller müssen unter anderem die Menge einer Zutat nicht ausweisen, wenn diese als nicht kaufrelevant erscheint. Das gilt beispielsweise für den Spinatanteil in einem Rahmspinat.
„Warum bei einem Rahmspinat, bei dem der Spinat in der Bezeichnung genannt und bildlich hervorgehoben wird und ganz offensichtlich eine wertgebende Zutat ist, die Menge nicht relevant sein soll, ist für die Verbraucher:innen nicht verständlich“, so Wetzel.
Geringe Mengenanteile dürfen ganz verschwiegen werden
Auch wenn Zutaten nur in einer geringen Menge zur Geschmacksgebung enthalten sind, wie zum Beispiel Granatapfelsaft in einem Erfrischungsgetränk, müssen Hersteller deren Mengen nicht im Zutatenverzeichnis angeben. „Niedrige Anteile hochwertiger Zutaten können somit bewusst verschwiegen werden, damit Produkte höherwertiger erscheinen als sie es eigentlich sind“, so Wetzel weiter.
Diese Ausnahmen von der Pflicht zur Mengenangabe in der EU-Lebensmittelinformations-Verordnung müssten zügig abgeschafft werden, fordert der vzbv. Wetzel: „Sie bieten zu viel Interpretationsspielraum für die Anbieter und sind nicht verbraucherfreundlich.“
Die Studie ist der zweite Teil einer umfassenden Begleitforschung zum Thema „verbraucherunfreundliche Mengenkennzeichnungen“. Sie wurde im Auftrag des Projekts Lebensmittelklarheit durchgeführt. Das Projekt ist ein Gemeinschaftsangebot des vzbv mit den Verbraucherzentralen und betreibt das Verbraucherportal Lebensmittelklarheit.de. Es wird aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages durch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) gefördert.